Ein tiefer Einblick: Das Leben als Bauarbeiter in der Schweiz – Interview mit Marcin Baran

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Beschreibung

Interviewpartner: Marcin Baran (36 Jahre), Bauarbeiter
Wohnort: Kanton Aargau, Schweiz (aktuell in einer Baustellenbaracke)
Status: Angestellt bei einer Baufirma, verheiratet, zwei Kinder in Polen

Monatliche und jährliche Lebenshaltungskosten eines Bauarbeiters in der Schweiz

Kostenpunkt Monatlich (CHF) Jährlich (CHF)
Miete (Baracke, inklusiv) 0 0
Lebensmittel 400–500 4.800–6.000
Transport (Auto, Benzin) 150–200 1.800–2.400
Krankenversicherung 350 4.200
Freizeit/Unterhaltung 100–150 1.200–1.800
Autoversicherung 800
Strassensteuer 300
SERAFE (Radio/TV-Gebühr) 335
Heimfahrten nach Polen 1.000–1.500
Friseur (alle 2–3 Monate) ca. 15 ca. 180
GESAMT (ohne Miete) 1.015–1.215 14.615–17.515

Hinweise:

    • Die Miete entfällt, da die Unterkunft vom Arbeitgeber gestellt wird. Bei normaler Wohnungsmiete wären dies 1.500–2.000 CHF/Monat zusätzlich.

    • Die Kosten für Heimfahrten und Friseur sind als Durchschnittswerte angegeben.

    • Die Krankenversicherung bezieht sich auf die Grundversicherung mit hoher Franchise.

    • Freizeit- und Unterhaltungsausgaben sind niedrig, da der Fokus auf Sparen liegt.

1. Grundlegende Informationen: Ankommen in einem neuen Land

Reporter: Guten Tag, Marcin. Vielen Dank, dass Sie sich heute so viel Zeit für uns nehmen. Wir möchten einen wirklich umfassenden Einblick in Ihr Leben als polnischer Bauarbeiter in der Schweiz bekommen. Beginnen wir ganz von vorn: Seit wann genau leben Sie in der Schweiz und was hat Sie ursprünglich hierhergebracht?

Marcin: Grüezi mitenand! Ich freue mich, dass ich meine Geschichte erzählen kann. Also, ich bin jetzt seit ziemlich genau sieben Jahren hier in der Schweiz. Ich kam im März 2018 hierher. Der Hauptgrund war ganz klar die finanzielle Perspektive. In Polen hatte ich meine Maurerlehre abgeschlossen, aber die Verdienstmöglichkeiten waren einfach begrenzt. Ein guter Freund von mir, der schon ein paar Jahre hier war, hat mir immer wieder erzählt, wie gut es ihm geht und wie viel man hier sparen kann. Er hat mir dann den Kontakt zu einer Baufirma vermittelt, die gerade Leute suchte. Das war meine Chance. Ich habe nicht lange gezögert.

Reporter: Sie sind gelernter Maurer. Üben Sie diesen Beruf hier in der Schweiz auch aus, oder hat sich Ihr Aufgabenfeld verändert?

Marcin: Ja, ich bin immer noch im Bau. Mein offizieller Titel ist “Bauarbeiter”, aber im Grunde mache ich alles, was auf einer Baustelle anfällt. Das ist hier oft so. Ich bin kein reiner Maurer mehr, der nur Mauern hochzieht. Ich mache viel Schalungsbau, das heißt, ich baue die Holz- oder Metallformen, in die dann der Beton gegossen wird. Dann natürlich Betonarbeiten, also Beton mischen, einfüllen und verdichten. Auch bei Abbrucharbeiten helfe ich mit, beim Verlegen von Leitungen im Rohbau, manchmal sogar beim Auf- und Abbau von Gerüsten. Es ist sehr abwechslungsreich und man lernt immer wieder Neues dazu. Man muss flexibel sein.

Reporter: Sie wohnen in einer Arbeiterbaracke auf dem Baugelände im Kanton Aargau. Können Sie uns mehr darüber erzählen?

Marcin: Ja, genau. Das ist hier die Norm, wenn man bei einer größeren Baufirma angestellt ist und die Baustelle nicht direkt vor der Haustür liegt oder man weite Anfahrtswege hätte. Meine Firma stellt diese Baracken zur Verfügung. Aktuell sind wir zu viert in einer Baracke. Jeder hat sein eigenes kleines Zimmer mit Bett, Schrank und einem Tisch. Wir teilen uns eine kleine Küche und ein Bad. Es ist keine Luxuswohnung, das ist klar. Aber es ist zweckmäßig. Der Vorteil ist enorm: Ich bin in fünf Minuten zu Fuß auf der Baustelle. Das spart unglaublich viel Zeit und Geld für den Arbeitsweg. Und die Miete ist quasi im Lohn inkludiert, oder sagen wir es so, ich habe keine zusätzlichen Kosten dafür. Unter der Woche ist das mein Zuhause.

Reporter: Wie steht es um Ihre Deutschkenntnisse? War es schwierig, sich ohne fließendes Deutsch zurechtzufinden?

Marcin: Am Anfang war es eine Katastrophe! Ich konnte nur ein paar Brocken Deutsch aus der Schule. Auf dem Bau sprechen die Leute oft schnell, und dann kommt noch der Dialekt dazu – das Schweizerdeutsch. Manchmal habe ich kein Wort verstanden. Aber man lernt schnell, wenn man muss. Die Kollegen und der Polier sind geduldig, und ich habe mir viel von ihnen abgeschaut. Ich höre Radio und versuche, die Unterhaltungen mitzuverfolgen. Mein Deutsch ist jetzt gut genug für den Arbeitsalltag und für einfache Gespräche. Ich kann Anweisungen verstehen und mich verständigen. Für komplexere Themen oder Behördengänge brauche ich aber immer noch manchmal Hilfe, oder ich übersetze mit dem Handy. Ich würde sagen, meine Kenntnisse reichen für B1-Niveau. Das war definitiv notwendig, besonders wegen der Sicherheitsvorschriften. Wenn man da etwas falsch versteht, kann es gefährlich werden.

Reporter: War die Umsiedlung von Polen in die Schweiz eine große Herausforderung für Sie?

Marcin: Ja, definitiv! Das war eine riesige Veränderung. Man lässt alles zurück: die Familie, die Freunde, das gewohnte Umfeld. Am Anfang habe ich mich oft einsam gefühlt, besonders abends in der Baracke. Die ersten Monate waren psychisch sehr anstrengend. Man muss sich an alles Neue anpassen: die Sprache, die Arbeitsweise, die Mentalität der Schweizer, die Pünktlichkeit, die Regeln. Aber ich bin ein zielstrebiger Mensch. Ich wusste, warum ich hier bin: für eine bessere Zukunft meiner Familie. Das hat mir geholfen, durchzuhalten. Ich würde sagen, es hat gut sechs bis acht Monate gedauert, bis ich mich wirklich eingelebt hatte und mich nicht mehr wie ein kompletter Fremder gefühlt habe. Man findet seine Routine, knüpft Kontakte.

Reporter: Sie sind alleine hier, Ihre Familie ist in Polen geblieben. Wie gehen Sie mit dieser Trennung um?

Marcin: Das ist ehrlich gesagt der größte Nachteil am Leben hier. Meine Frau und unsere beiden Kinder, ein Junge von 10 und ein Mädchen von 7 Jahren, leben in Polen. Ich vermisse sie jeden Tag. Wir telefonieren abends immer per Video. Ich versuche, alle vier bis sechs Wochen nach Hause zu fahren, meistens über das Wochenende. Manchmal kommen sie auch hierher, aber das ist selten, da die Reise für sie auch teuer ist. Diese Treffen sind das Wichtigste für mich. Die Kinder verstehen, warum ich hier bin, aber es ist natürlich trotzdem hart für sie, dass der Papa so oft weg ist. Aber wir wissen, dass wir das alles für ihre Zukunft tun. Wir wollen in Polen ein Haus bauen und ihnen eine gute Ausbildung ermöglichen.

2. Arbeit und Verdienst: Der Motor des Schweizer Traums

Reporter: Viele Polen suchen Arbeit in der Schweiz. Haben Sie Tipps für die Jobsuche, besonders im Baugewerbe?

Marcin: Mein erster Job kam über einen Freund, das ist oft der beste Weg, wenn man jemanden kennt. Aber wenn nicht: Zeitarbeitsfirmen sind hier riesig. Die vermitteln sehr viele ausländische Arbeitskräfte auf dem Bau. Da gibt es große Anbieter wie Manpower, Adecco, aber auch kleinere, spezialisierte Firmen für den Bau. Man sollte sich bei mehreren anmelden und die Angebote genau vergleichen. Nicht jede Firma ist gleich gut. Wichtig ist, die Verträge sehr genau zu lesen. Manchmal versuchen sie, Tricks anzuwenden, zum Beispiel bei den Spesen oder Überstunden. Ich würde immer fragen, ob es die Möglichkeit auf eine Festanstellung gibt, auch wenn man oft erstmal über eine Temporärfirma startet. Auch spezialisierte Jobportale für den Bau können helfen, oder direkt auf den Webseiten größerer Baufirmen nachsehen.

Reporter: Worauf sollte man bei der Jobsuche besonders achten, um nicht über den Tisch gezogen zu werden?

Marcin: Ganz klar auf den Lohn und die Arbeitsbedingungen. Es gibt hier Mindestlöhne im Baugewerbe, aber manche Firmen versuchen, darunter zu zahlen, besonders bei Neulingen. Immer fragen, wie hoch der Bruttolohn pro Stunde ist. Dann auf die Arbeitszeiten achten: Wie viele Stunden pro Woche? Wie werden Überstunden bezahlt? Und ganz wichtig: die Versicherungen. Die Unfallversicherung (SUVA) ist hier top, aber man muss wissen, dass man gut abgesichert ist. Auch die Pensionskasse ist entscheidend. Und wenn eine Unterkunft gestellt wird, wie im meinem Fall: Klären, ob dafür Kosten anfallen oder ob sie inklusive ist. Manchmal gibt es versteckte Kosten.

Reporter: Wie beurteilen Sie die Arbeitskultur und die Sicherheitsstandards in der Schweiz im Vergleich zu Polen?

Marcin: Der Unterschied ist taghell und nachtschwarz! In Polen war es auf dem Bau oft chaotisch, die Sicherheit wurde nicht immer ernst genommen. Hier in der Schweiz ist alles extrem strukturiert, organisiert und sicher. Jeder einzelne Schritt wird geplant. Es gibt klare Vorschriften für alles: für die Schutzkleidung, für die Maschinen, für die Sicherung der Baustelle. Die Bauleiter und Vorarbeiter achten penibel darauf, dass alles eingehalten wird. Wir haben hochwertige Arbeitsschuhe, Helme, Schutzbrillen, Gehörschutz, Handschuhe – alles wird gestellt. Die Gerüste sind stabil, die Maschinen gewartet. Ich habe mich hier nie unsicher gefühlt. Das gibt einem ein gutes Gefühl. Und die Qualität der Arbeit ist auch ein ganz anderer Standard. Es wird sauberer und genauer gearbeitet. In Polen ging es oft darum, schnell fertig zu werden. Hier geht es um Qualität und Präzision.

Reporter: Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen auf der Baustelle aus?

Marcin: Mein Wecker klingelt um 5:30 Uhr. Dann stehe ich auf, wasche mich, mache mir einen schnellen Kaffee und ein belegtes Brot in der Barackenküche. Um 6:30 Uhr bin ich spätestens auf der Baustelle, ziehe mich um und bereite alles vor. Die Arbeit beginnt pünktlich um 7:00 Uhr. Die erste Hälfte des Tages ist volle Pulle: Schalungen bauen, Beton pumpen, Eisen binden, das hängt immer davon ab, was gerade ansteht. Um 9:00 Uhr haben wir eine kurze 15-minütige Kaffeepause. Dann geht es weiter bis zum Mittag. Um 12:00 Uhr ist eine Stunde Mittagspause. Da gehen die meisten von uns zurück in die Baracke, wärmen sich ihr Essen auf oder essen ihr mitgebrachtes Brot. Danach geht es bis 17:00 Uhr weiter. Wir arbeiten meistens neun Stunden am Tag, inklusive Pausen, also 45 Stunden die Woche. Manchmal gibt es auch Überstunden, wenn ein Termin drängt. Nach der Arbeit bin ich meistens fix und fertig. Duschen, Abendessen in der Baracke, vielleicht noch eine halbe Stunde telefonieren mit der Familie, und dann falle ich ins Bett. Manchmal schauen wir noch Fußball mit den Kollegen, wenn ein wichtiges Spiel läuft.

Reporter: Was war Ihr erster Verdienst hier und wie hat er sich entwickelt?

Marcin: Meine erste Firma war eine kleinere Baufirma, da habe ich damals 4.800 CHF brutto im Monat verdient. Das war für mich schon sehr viel Geld, wenn man bedenkt, dass ich in Polen vielleicht 800 Euro verdient hätte. Aber ich habe schnell gemerkt, dass die Kosten hier auch enorm sind. Nach zwei Jahren bin ich zu meiner jetzigen Firma gewechselt, die größer ist und bessere Konditionen bietet. Aktuell verdiene ich 6.200 CHF brutto im Monat. Das sind im Jahr über 74.000 CHF brutto. Nach Abzug von Steuern, AHV, IV, ALV, EO und der Pensionskasse bleiben mir netto rund 5.000 CHF. Davon kann man wirklich gut leben und vor allem sparen. Zusätzliche Einkommensquellen habe ich keine, ich konzentriere mich voll auf meinen Job.

Reporter: Wie beurteilen Sie die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten als Bauarbeiter in der Schweiz?

Marcin: Für mich persönlich sind die Möglichkeiten eher begrenzt, weil ich nicht vorhabe, eine längere Ausbildung zu machen. Aber generell gibt es hier schon Möglichkeiten. Man kann sich zum Vorarbeiter hocharbeiten, wenn man gute Deutschkenntnisse hat und Führungsqualitäten zeigt. Oder man kann eine Weiterbildung zum Polier machen, das ist dann schon eine höhere Position auf der Baustelle. Dafür muss man aber die Sprache beherrschen und auch die Theorie lernen. Meine Firma bietet manchmal interne Kurse an, zum Beispiel für den Staplerschein oder für spezielle Maschinen. Das ist gut, um seine Fähigkeiten zu erweitern.

Reporter: Und wie sieht es mit der Work-Life-Balance aus?

Marcin: (Lacht) Work-Life-Balance ist ein Luxuswort für uns Bauarbeiter. Unter der Woche gibt es nicht viel “Life”. Die Arbeit ist körperlich anspruchsvoll, die Tage sind lang. Ich bin nach der Arbeit müde. Aber der große Vorteil ist, dass die Wochenenden wirklich frei sind. Da wird nicht gearbeitet, außer in absoluten Notfällen. Und weil ich so viel verdiene, kann ich in dieser freien Zeit dann wirklich entspannen oder nach Hause fahren. Es ist ein Kompromiss: Viel Arbeit, aber dafür finanzielle Sicherheit und die Möglichkeit, meiner Familie eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Das ist meine “Work-Life-Balance”.

3. Lebenshaltungskosten: Der Schweizer Preis-Schock und das Sparpotenzial

Reporter: Sprechen wir über die Kosten. Sie sagten, Ihre Wohnkosten seien minimal, da Sie in der Baracke wohnen. Wie viel sparen Sie dadurch im Vergleich zu einer normalen Miete?

Marcin: Das ist ein riesiger Faktor für meine Ersparnisse. Wenn ich eine normale 2-Zimmer-Wohnung im Aargau mieten müsste, würde die mich schnell 1.500 bis 2.000 CHF im Monat kosten, plus Nebenkosten. Das heißt, ich spare allein durch die Baracke mindestens 1.500 CHF Miete pro Monat. Das sind 18.000 CHF im Jahr, die ich direkt in meine Tasche stecken kann. Das ist der größte Vorteil, um hier so viel Geld auf die Seite legen zu können.

Reporter: Wie viel geben Sie monatlich für Lebensmittel aus und wo kaufen Sie am liebsten ein?

Marcin: Für Lebensmittel rechne ich mit 400 bis 500 CHF im Monat. Ich koche fast ausschließlich selbst in der Barackenküche. Das ist am günstigsten. Ich kaufe hauptsächlich bei Lidl und Aldi ein, die sind hier im Vergleich zu Coop und Migros deutlich preiswerter. Manchmal gehe ich auch zu Denner, die haben auch gute Aktionen. Ich schaue immer in die Prospekte nach Sonderangeboten. Auswärts essen gehe ich kaum, vielleicht einmal im Monat, wenn wir als Team unterwegs sind, oder ich mir ein Feierabendbier gönne. Ein einfaches Mittagessen im Restaurant kostet schnell 25-35 CHF. Das ist mir zu teuer.

Reporter: Welche Transportkosten fallen bei Ihnen an?

Marcin: Ich habe ein eigenes Auto, einen VW Golf aus dem Jahr 2017. Der ist wichtig für mich, um mobil zu sein, wenn ich nicht auf der Baustelle wohne oder am Wochenende nach Polen fahre. Für Benzin und kleinere Wartungen fallen so 150-200 CHF im Monat an. Öffentliche Verkehrsmittel nutze ich so gut wie nie, die sind zwar sehr gut ausgebaut, aber auch teuer. Ein Monats-Ticket für eine Region kann schnell 100 CHF oder mehr kosten.

Reporter: Die Krankenversicherung ist in der Schweiz bekanntlich teuer. Was zahlen Sie da und welche Franchise haben Sie gewählt?

Marcin: Ja, die Krankenversicherung ist ein echter Batzen. Ich bin bei der Helsana, einer der großen Kassen hier. Ich habe mich für die höchstmögliche Franchise von 2.500 CHF entschieden. Das bedeutet, dass ich die ersten 2.500 CHF an Arzt- oder Medikamentenkosten pro Jahr selbst tragen muss, bevor die Kasse übernimmt. Das ist ein Risiko, aber dafür ist meine monatliche Prämie niedriger. Ich zahle aktuell 350 CHF pro Monat für die obligatorische Grundversicherung. Wenn ich eine niedrigere Franchise hätte, wären das schnell 450 CHF oder mehr. Glücklicherweise bin ich selten krank.

Reporter: Wie sieht es mit Ihren Ausgaben für Freizeit und Unterhaltung aus?

Marcin: Da gebe ich nicht viel aus. Vielleicht 100-150 CHF im Monat. Ich treffe mich abends mal mit den Kollegen in der Baracke, wir trinken ein Bier und reden. Manchmal gehen wir zusammen in eine Sportbar, um Fußball zu schauen. Kino oder teure Restaurants sind eher selten. Wenn ich in Polen bin, gebe ich natürlich mehr Geld aus, da ist alles günstiger. Hier in der Schweiz geht es mir hauptsächlich ums Sparen.

Reporter: Kommen wir zu den jährlichen Ausgaben. Was kostet Sie die Autoversicherung und die Strassensteuer?

Marcin: Meine Autoversicherung kostet mich im Jahr etwa 800 CHF. Das ist eine Teilkasko-Versicherung. Die Strassenverkehrssteuer für meinen VW Golf liegt bei ungefähr 300 CHF pro Jahr.

Reporter: Und die obligatorische Radio- und Fernsehgebühr, die sogenannte SERAFE?

Marcin: Die zahlt jeder Haushalt in der Schweiz, egal ob man Radio oder Fernseher hat. Das sind 335 CHF pro Jahr. Da kommt man nicht drum herum.

Reporter: Haben Sie weitere größere jährliche Ausgaben, zum Beispiel für Heimfahrten?

Marcin: Ja, die Flüge nach Polen. Da ich alle paar Wochen fliege, kommen da schon einige hundert Franken zusammen. Ein Flug kostet je nach Saison und Buchungszeitpunkt zwischen 150 und 250 CHF. Wenn ich das aufs Jahr rechne, sind das schnell 1.000 bis 1.500 CHF nur für die Heimreisen. Das ist aber eine Investition in meine Familie und meine mentale Gesundheit.

Reporter: Sind die Kosten in der Schweiz höher, als Sie ursprünglich erwartet hatten?

Marcin: Eindeutig ja! Das hat mich am Anfang wirklich schockiert. Ich wusste, dass es teuer ist, aber nicht so teuer. Ein einfacher Supermarkteinkauf kann schnell 100 CHF kosten, wo man in Polen vielleicht 30-40 Euro bezahlt hätte. Die Mieten, die Krankenversicherung, der Friseur, ein Restaurantbesuch – alles ist auf einem ganz anderen Preisniveau. Man muss sich das immer wieder vor Augen führen, auch wenn man gut verdient. Man lernt schnell, sparsam zu sein und nur das Nötigste zu kaufen.

Reporter: Nutzen Sie Friseur- oder andere Dienstleistungen?

Marcin: Nur den Friseur, so alle zwei bis drei Monate. Ein Haarschnitt kostet mich hier 35-40 CHF. Das ist teurer als in Polen, aber die Qualität ist meistens gut. Andere kosmetische Dienste nutze ich nicht. Reparaturdienste oder andere Handwerker habe ich privat noch nie in Anspruch genommen. Ich mache ja selbst vieles am Bau, und für die Baracke ist die Firma zuständig.

4. Sparen und Investitionen: Die Motivation hinter der harten Arbeit

Reporter: Das klingt nach einem sehr disziplinierten Umgang mit Geld. Wie viel können Sie denn monatlich tatsächlich auf die Seite legen?

Marcin: Das ist der Hauptgrund, warum ich hier bin. Ich schaffe es, jeden Monat zwischen 2.500 und 3.000 CHF zu sparen. Das ist eine enorme Summe für mich. Das Geld überweise ich dann regelmäßig auf mein Konto in Polen.

Reporter: Und was machen Sie mit diesen Ersparnissen? Investieren Sie sie?

Marcin: Ich bin kein Typ für Aktien oder komplexe Finanzprodukte. Mein Ziel ist es, in Polen ein eigenes Haus zu bauen. Wir haben schon ein Grundstück gekauft, und die Ersparnisse fließen direkt in dieses Projekt. Ein Teil geht auch in die Unterstützung meiner Eltern, zum Beispiel für Reparaturen an ihrem Haus. Für mich ist das Hausbauprojekt meine große Investition. Das ist ein konkretes Ziel, das mich motiviert.

Reporter: Haben Sie sich mit dem Schweizer Rentensystem auseinandergesetzt, den berühmten drei Säulen?

Marcin: Ja, ich habe mich darüber informiert, aber nicht bis ins kleinste Detail. Ich weiß, dass es die 1. Säule (AHV) gibt, das ist die staatliche Altersrente. Dann die 2. Säule (Pensionskasse), in die mein Arbeitgeber und ich monatlich einzahlen. Und die 3. Säule, die private Vorsorge, die ich nicht nutze. Das System ist in der Schweiz sehr stabil und bietet eine gute Absicherung im Alter. Ich zahle gerne in die AHV und Pensionskasse ein. Für mich ist die Pensionskasse wie ein gut verzinstes Sparkonto. Wenn ich die Schweiz irgendwann verlasse, kann ich mir das angesparte Kapital auszahlen lassen, abzüglich gewisser Abzüge. Das ist ein wichtiger Teil meiner Altersvorsorge, auch wenn ich nicht vorhabe, hier in Rente zu gehen. Es ist ein viel verlässlicheres System als in Polen.

5. Alltagsleben: Routinen und kleine Freuden

Reporter: Gibt es bestimmte Produkte, die Sie in der Schweiz besonders gerne kaufen oder die Sie meiden?

Marcin: Ich liebe die Qualität des Brotes hier. Das ist wirklich fantastisch, viel besser als in Polen. Auch die Milchprodukte und das Gemüse sind sehr gut. Was ich meide, sind teure importierte Spezialitäten oder Fertiggerichte. Die sind einfach zu teuer und oft nicht so gut wie selbstgekochtes Essen. Ich versuche, saisonale und regionale Produkte zu kaufen, das ist meistens etwas günstiger.

Reporter: Wie beurteilen Sie das Umweltbewusstsein der Schweizer, zum Beispiel bei der Mülltrennung?

Marcin: Das ist ein riesiger Unterschied und wirklich beeindruckend. Die Schweizer sind da sehr diszipliniert. Mülltrennung ist hier eine Religion! Glas, PET, Papier, Karton, Alu, Biomüll – alles wird akribisch getrennt. Am Anfang war das ungewohnt, ich musste mich wirklich dran gewöhnen, weil wir das in Polen nicht so konsequent machen. Aber es macht Sinn, und man sieht, wie sauber das Land ist. Man muss auch spezielle Müllsäcke kaufen, die sind etwas teurer, das motiviert auch, weniger Restmüll zu produzieren. Die öffentlichen Mülleimer sind auch immer sauber und gut getrennt. Das ist vorbildlich.

Reporter: Haben Sie in der Schweiz schon medizinische Hilfe in Anspruch nehmen müssen? Wie war die Erfahrung?

Marcin: Zum Glück war es nur eine starke Grippe vor zwei Jahren. Ich musste zum Hausarzt. Die Qualität der Behandlung war sehr gut. Der Arzt war freundlich, hat sich Zeit genommen, und die Praxis war modern. Aber die Kosten… selbst mit meiner hohen Franchise musste ich einen großen Teil der Kosten selbst tragen, weil ich die Franchise noch nicht ausgeschöpft hatte. Die Rechnung kam dann ein paar Wochen später. Das war ein Schock, aber so funktioniert das System hier. Man ist sehr gut versorgt, aber es kostet. Ich bin dankbar, dass ich selten zum Arzt muss.

6. Integration und Soziales Leben: Freundschaften und Freizeit

Reporter: Wie empfinden Sie die Offenheit der Schweizer gegenüber Ausländern wie Ihnen?

Marcin: Das ist eine interessante Frage. Auf dem Bau, unter den Kollegen, ist es oft sehr locker und international. Wir haben Kollegen aus Portugal, Italien, dem Balkan, auch ein paar Schweizer. Da ist man in einem Boot, und da gibt es viel gegenseitige Hilfe. Aber im Alltag, außerhalb der Arbeit, sind die Schweizer manchmal etwas reservierter. Es ist nicht unfreundlich, aber sie sind nicht so spontan oder offen wie Polen. Man muss sich an ihre Direktheit gewöhnen, sie sagen oft klar, was Sache ist, ohne viel drumherum zu reden. Das kann manchmal etwas kühl wirken. Echte Freundschaften außerhalb des Arbeitsumfelds zu schließen, ist für mich eher schwierig. Ich habe meine Freunde in Polen und pflege die Kontakte dort.

Reporter: Wie verbringen Sie Ihre knappe Freizeit in der Schweiz?

Marcin: Wie gesagt, die meiste Freizeit verbringe ich in der Baracke. Ich schaue Filme, lese polnische Nachrichten online, oder telefoniere viel mit meiner Familie. Wenn das Wetter schön ist, gehe ich gerne draußen spazieren. Der Aargau hat schöne Landschaften, viele Felder und kleine Wälder. Manchmal machen wir Kollegen-Abende, da grillen wir zusammen oder schauen Fußball. Große Ausflüge oder kulturelle Veranstaltungen mache ich selten, das ist mir auch zu teuer. Mein Fokus liegt aufs Sparen, und die Wochenenden gehören der Familie in Polen.

7. Formalitäten: Banken und Papiere

Reporter: Bei welcher Bank sind Sie in der Schweiz? War die Kontoeröffnung einfach?

Marcin: Ich bin bei der PostFinance. Das war eine sehr einfache Entscheidung, weil die viele Filialen haben, auch in kleineren Orten. Die Konditionen sind auch fair. Die Kontoeröffnung war unkompliziert. Ich brauchte meinen Arbeitsvertrag und meinen polnischen Pass. Das hat keine halbe Stunde gedauert. Man muss nur ein paar Formulare ausfüllen, aber die Mitarbeiter sind sehr hilfsbereit.

Reporter: Welche Art von Aufenthaltsrecht haben Sie in der Schweiz?

Marcin: Ich habe eine Aufenthaltsbewilligung B. Als EU-Bürger ist das die gängige Bewilligung für Arbeitnehmer. Sie wird in der Regel für fünf Jahre ausgestellt und kann dann verlängert werden, solange man einen Arbeitsvertrag hat. Eine Niederlassungsbewilligung C oder gar die Schweizer Staatsbürgerschaft habe ich nicht beantragt. Das wäre ein längerer Prozess, und da ich nicht für immer hierbleiben will, lohnt sich der Aufwand für mich nicht.

9. Besondere Erfahrungen und Ratschläge

Reporter: Gab es kulturelle Eigenheiten oder Traditionen, die Sie besonders überrascht haben?

Marcin: Ja, die Pünktlichkeit der Schweizer! Das ist unglaublich. Wenn ein Termin um 8 Uhr ist, dann ist es um 8 Uhr. Nicht 8:05 Uhr. Das war am Anfang eine Umstellung, in Polen sind wir da manchmal etwas flexibler. Aber es ist gut, man kann sich drauf verlassen. Auch die Ruhezeiten sind hier heilig. Sonntags ist absolute Ruhe, da wird kein Rasen gemäht oder laut gebaut. Das ist gut für die Erholung. Die Feste und Traditionen sind auch interessant, aber ich bin da noch nicht so tief eingetaucht. Die Schützenfeste oder Älplerfeste sind schon speziell.

Reporter: Was würden Sie jemandem raten, der frisch in die Schweiz kommt, besonders als Bauarbeiter?

Marcin: Erstens: Seid offen und flexibel. Es ist ein anderes Land, eine andere Kultur. Passt euch an, seid nicht beleidigt, wenn die Schweizer direkt sind. Zweitens: Lernt Deutsch! So gut es geht. Das macht den Alltag und die Arbeit so viel einfacher. Nutzt jede Gelegenheit zum Sprechen. Drittens: Seid fleißig und zuverlässig. Die Schweizer schätzen gute Arbeit und Pünktlichkeit. Wer das zeigt, hat hier gute Chancen. Viertens: Passt auf eure Finanzen auf. Die Schweiz ist teuer, plant eure Ausgaben. Sucht euch günstige Supermärkte, kocht selbst. Und legt so viel wie möglich auf die Seite. Das ist die Belohnung für die harte Arbeit. Fünftens: Bleibt in Kontakt mit der Heimat. Die Familie und Freunde sind wichtig, um nicht einsam zu werden. Und wenn ihr in der Arbeiterunterkunft wohnt, knüpft Kontakte zu den Kollegen, das hilft gegen die Einsamkeit.

10. Gesamtbeurteilung des Lebens in der Schweiz

Reporter: Marcin, fassen wir zusammen: Wie bewerten Sie die Lebensqualität in der Schweiz insgesamt?

Marcin: Die Lebensqualität ist für mich sehr hoch. Das Land ist unglaublich sauber, sicher und die Kriminalität ist quasi nicht existent. Die Natur ist atemberaubend, gerade die Berge. Die Infrastruktur funktioniert einwandfrei: Die Straßen sind gut, die Züge pünktlich. Man hat hier wirklich gute Bedingungen. Aber man muss sich das leisten können.

Reporter: Was sind die größten Vorteile und die größten Herausforderungen?

Marcin: Die größten Vorteile sind ganz klar: Die Verdienstmöglichkeiten und das Sparpotenzial. Das ist der Hauptgrund, warum ich hier bin. Ich kann meiner Familie in Polen eine viel bessere Zukunft ermöglichen. Die Sicherheit am Arbeitsplatz und die hohe Qualität der Arbeit sind auch riesige Pluspunkte. Und die Ordnung und Zuverlässigkeit im ganzen Land sind sehr angenehm.

Die größten Herausforderungen sind die Trennung von der Familie. Das ist emotional sehr schwierig. Dann die extrem hohen Lebenshaltungskosten, die trotz des guten Lohns eine Herausforderung darstellen und Disziplin erfordern. Und die Anpassung an die Schweizer Mentalität kann manchmal etwas dauern. Manchmal fehlt mir die polnische Herzlichkeit und Spontaneität.

Reporter: Denken Sie manchmal darüber nach, für immer nach Polen zurückzukehren?

Marcin: Ja, jeden Tag. Mein Plan ist es, hier in der Schweiz noch ein paar Jahre zu arbeiten, vielleicht noch drei bis fünf Jahre. Genug Geld zu sparen, um das Haus in Polen fertigzubauen und dann für immer nach Hause zurückzukehren. Ich will meine Kinder aufwachsen sehen und wieder bei meiner Frau sein. Das ist mein größter Traum. Die Schweiz ist ein tolles Land zum Geldverdienen und für eine sichere Arbeit, aber meine Heimat ist in Polen. Dort ist meine Familie, dort bin ich zuhause.

Reporter: Marcin, das waren unglaublich offene und ehrliche Einblicke in Ihr Leben. Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Offenheit.

Marcin: Gerne geschehen. Es war schön, mal darüber zu sprechen.

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Updated on August 18, 2025 at 8:39 am
  • Property Type Landwirt
  • Property Status Singel1

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