Schweizer Arbeitgeber, die Ausländer einstellen – Interview

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Exklusiv-Interview mit Markus Schmid: Ein tiefer Einblick in die Welt eines Schweizer Arbeitgebers und seine internationalen Teams


Reporter: Guten Tag, Herr Schmid. Es ist mir eine Ehre, Sie nun schon zum dritten Mal für dieses Interview zu treffen. Das Interesse unserer Leserinnen und Leser an Ihren Erfahrungen als Schweizer Arbeitgeber, der so viele ausländische Mitarbeitende beschäftigt, ist überwältigend. Vielen Dank, dass Sie uns noch mehr Ihrer wertvollen Zeit schenken.

Markus Schmid: Grüezi mitenand! Auch ich freue mich, wieder hier zu sein. Es ist mir ein Anliegen, über diese Thematik zu sprechen. Ich glaube, es gibt immer noch viele Missverständnisse und Vorurteile, und vielleicht kann ich mit meinen persönlichen Erfahrungen dazu beitragen, ein realistischeres Bild zu zeichnen. Setzen wir uns doch gemütlich hin.


Die persönliche Reise: Wie ich dazu kam, Ausländer einzustellen

Reporter: Herr Schmid, bevor wir in die Details gehen, lassen Sie uns doch ganz am Anfang beginnen. Wann und warum haben Sie überhaupt angefangen, Mitarbeitende aus dem Ausland einzustellen? Gab es einen bestimmten Auslöser oder eine Entwicklung, die Sie dazu bewogen hat?

Markus Schmid: Ja, das war keine bewusste Entscheidung von heute auf morgen, sondern ein Prozess, der sich über die Jahre entwickelt hat. Wie ich schon sagte, war meine Firma, als ich sie gegründet habe, fast ausschliesslich mit Schweizer Arbeitskräften besetzt. Wir hatten einen stabilen Kern von etwa 10 bis 12 Mann. Aber so ab Ende der 90er, Anfang 2000er wurde es zunehmend schwieriger, qualifizierte Schweizer Maurer, Zimmerleute oder Bauarbeiter zu finden. Der Nachwuchs blieb aus, viele gingen lieber ins Büro oder in andere Berufe. Die Bauwirtschaft war damals schon sehr angespannt.

Ich erinnere mich an einen spezifischen Moment um das Jahr 2005. Wir hatten einen grossen Auftrag für ein Mehrfamilienhaus in Aarau gewonnen, und mir fehlten einfach zwei, drei gute Leute. Ich inserierte, fragte bei der Arbeitsagentur nach, aber Fehlanzeige. Zufällig kam dann ein junger Mann aus Portugal, der schon einige Jahre in der Schweiz gearbeitet hatte, zu mir und fragte nach Arbeit. Er hatte Empfehlungen, war fleissig und sprach passables Deutsch. Ich habe ihn eingestellt, und er hat sich als absolute Bereicherung erwiesen. Er war pünktlich, zuverlässig und hat mit angepackt.

Das war sozusagen der Türöffner. Er hat dann später einen Freund aus Portugal nachgeholt, der auch eine Top-Kraft war. Und als dann die Personenfreizügigkeit mit den osteuropäischen Ländern kam, also so ab 2007, 2008, da haben sich die Möglichkeiten noch einmal erweitert. Die Bauaufträge wurden mehr, und der Fachkräftemangel noch deutlicher. Es war einfach eine Notwendigkeit, unseren Betrieb aufrechtzuerhalten und die Aufträge ausführen zu können. Heute würde ich sagen: Es war die beste Entscheidung für meine Firma.


Umgang mit Vorurteilen: Wie begegnen Sie Skepsis oder Ressentiments?

Reporter: Das leuchtet ein. Nun, man hört ja manchmal Vorurteile gegenüber ausländischen Arbeitskräften. Haben Sie als Arbeitgeber solche Erfahrungen gemacht, sei es von Kunden, anderen Firmen oder auch von schweizerischen Mitarbeitenden? Und wie gehen Sie damit um?

Markus Schmid: Leider ja, das kommt vor. Es ist weniger geworden, aber gerade am Anfang, vor 10 bis 15 Jahren, da gab es schon mal skeptische Blicke oder sogar direkte Kommentare. Manchmal hiess es: “Jetzt nehmt ihr nur noch die billigen Ausländer.” Das hat mich immer geärgert, denn es stimmt einfach nicht. Erstens sind die Löhne in der Schweiz klar geregelt, und wir halten uns strikt an die Gesamtarbeitsverträge der Baubranche. Da gibt es keine “Billiglöhne” für Ausländer. Sie verdienen genauso viel wie ein Schweizer für die gleiche Arbeit. Punkt.

Zweitens geht es nicht um “billig”, sondern um Verfügbarkeit und Qualität. Ich habe hervorragende Schweizer Fachkräfte, und ich bin froh um jeden Einzelnen. Aber wenn ich keine Schweizer finde, die die Arbeit machen wollen oder können, dann bin ich auf die Leute aus dem Ausland angewiesen. Und viele von ihnen bringen wirklich eine beeindruckende Arbeitsmoral und Können mit.

Ich erinnere mich an einen Kunden, bei dem wir ein komplexes Dachstuhlprojekt hatten. Er war anfangs etwas skeptisch, als er sah, dass unser Vorarbeiter und die meisten Zimmerleute aus Polen und Rumänien stammten. Er hat mich beiseitegenommen und gefragt, ob die das überhaupt hinbekommen. Ich habe ihm gesagt: “Herr Müller, die Jungs sind Profis, Sie werden staunen.” Und tatsächlich, als das Dach stand, kam er zu mir und meinte: “Herr Schmid, ich muss meine Meinung ändern. Das ist ja eine unglaublich präzise Arbeit. Chapeau!” Solche Momente sind wichtig, weil sie Vorurteile abbauen.

Auch unter den Mitarbeitenden kann es am Anfang mal Reibereien geben, oft wegen der Sprache oder einfach aus Unsicherheit. Aber da greife ich sofort ein. Ich sage immer: “Wir sind hier ein Team, und wir ziehen alle am selben Strick. Die Nationalität spielt keine Rolle, solange die Arbeit stimmt und der Respekt da ist.” Wir hatten auch schon Schweizer, die anfangs etwas reserviert waren, aber wenn sie sehen, wie fleissig und kollegial die ausländischen Kollegen sind, dann löst sich das schnell auf. Wir fördern ganz bewusst den Austausch, zum Beispiel beim gemeinsamen Mittagessen. Man merkt schnell, dass wir alle Menschen sind und ähnliche Ziele haben.


Die Rolle der Familie: Haben Sie Erfahrungen mit Familiennachzug oder Pendler-Modellen?

Reporter: Das ist ein wichtiger Punkt, dieser Abbau von Vorurteilen. Ein weiteres Thema, das oft diskutiert wird, ist der Familiennachzug oder das Pendeln zwischen den Ländern. Welche Erfahrungen haben Sie diesbezüglich gemacht? Haben viele Ihrer Mitarbeitenden ihre Familien nachgeholt oder sind es eher Grenzgänger und Pendler?

Markus Schmid: Das ist ein sehr facettenreiches Thema, und da gibt es beides. Wir haben Mitarbeitende, die schon seit vielen Jahren in der Schweiz leben und ihre Familien hierhergeholt haben. Das ist oft ein grosser Schritt und nicht immer einfach, besonders für die Kinder, die sich in der Schule und im neuen Umfeld zurechtfinden müssen. Aber ich sehe, dass diese Familien sich hier integrieren, die Kinder lernen schnell Schweizerdeutsch, und sie fühlen sich wohl. Das freut mich immer sehr, denn ein zufriedener Mitarbeiter ist ein guter Mitarbeiter.

Ich denke da an unseren Vorarbeiter Janusz aus Polen. Er ist jetzt seit über 10 Jahren bei uns. Er kam zuerst alleine, hat dann seine Frau und die zwei Kinder nachgeholt. Die Kinder gingen hier zur Schule, haben eine Lehre gemacht und arbeiten jetzt auch in der Schweiz. Das ist für mich ein Paradebeispiel für gelungene Integration. Janusz hat mir mal gesagt: “Herr Schmid, die Schweiz ist meine zweite Heimat geworden. Hier haben wir eine Zukunft gefunden.” Solche Geschichten motivieren mich ungemein.

Dann gibt es aber auch viele, die das Pendler-Modell bevorzugen. Das sind oft Leute, die in ihrem Heimatland ein Haus haben, vielleicht ältere Kinder oder die Familie dort versorgt werden muss. Sie kommen für ein paar Wochen oder Monate in die Schweiz, wohnen in einer unserer Arbeiterwohnungen oder in einer WG, arbeiten hart, und fahren dann für zwei, drei Wochen nach Hause. Das ist anstrengend, aber für viele finanziell attraktiv. Sie können zu Hause einen guten Lebensstandard sichern.

Wir haben zum Beispiel eine Gruppe von rumänischen Maurern, die das so handhaben. Sie sind sehr diszipliniert und fokussiert auf die Arbeit, wenn sie hier sind. Wenn sie dann nach Hause fahren, erholen sie sich und sind wieder voller Energie, wenn sie zurückkommen. Für uns als Firma ist das auch planbar, solange wir wissen, wann wer da ist. Es ist wichtig, auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen und flexible Lösungen zu finden. Nicht jeder will oder kann seine ganze Familie umziehen.


Die Rolle der Infrastruktur: Wohnen, Transport, Freizeit

Reporter: Das ist interessant, wie flexibel Sie darauf reagieren. Abgesehen vom Arbeitsplatz selbst: Welche Rolle spielt die Infrastruktur, also Themen wie Wohnen, Transport oder Freizeitmöglichkeiten, für die Integration Ihrer ausländischen Mitarbeitenden? Unterstützen Sie sie dabei?

Markus Schmid: Eine riesige Rolle! Gerade am Anfang sind das oft die grössten Hürden. Stellen Sie sich vor, Sie kommen in ein fremdes Land, kennen niemanden, verstehen die Sprache kaum, und müssen eine Wohnung finden, sich um den Transport kümmern und wissen nicht, wohin Sie in der Freizeit gehen sollen. Das ist ein Schock.

Deshalb versuchen wir als Firma, hier so viel Unterstützung wie möglich zu bieten. Wir haben mehrere Arbeiterwohnungen hier in der Nähe, die wir zu fairen Preisen an unsere Mitarbeitenden vermieten. Das sind meistens 2er- oder 3er-Wohngemeinschaften mit eigener Küche und Bad. Das nimmt schon mal den grössten Druck. Da können sie ankommen, sich einleben und in Ruhe nach etwas Eigenem suchen, wenn sie das möchten. Das ist auch praktisch, weil sie dann gleich Kollegen haben, mit denen sie zusammenleben.

Was den Transport angeht, so haben wir firmeneigene Fahrzeuge, mit denen die Teams zu den Baustellen fahren. Das ist organisiert. Aber für die Freizeit ermutigen wir sie, den öffentlichen Verkehr zu nutzen oder sich Fahrräder anzuschaffen. Manche kaufen sich auch ein günstiges Occasionsauto. Wir helfen auch mal bei der Anmeldung eines Autos oder bei der Beschaffung eines Schweizer Führerscheins.

Und für die Freizeit: Ich versuche immer wieder, ihnen Tipps zu geben. Viele gehen gerne in die Berge wandern, die Zugänglichkeit hier ist ja fantastisch. Andere interessieren sich für Sportvereine oder lokale Feste. Ich ermutige sie, sich umzusehen. Wir hatten mal einen bulgarischen Maurer, der war ein begeisterter Fischer. Ich habe ihm geholfen, die nötigen Bewilligungen zu bekommen und ihm ein paar gute Seen in der Umgebung gezeigt. Jetzt ist er im Fischerverein hier im Dorf und hat Anschluss gefunden. Das sind die kleinen Dinge, die am Ende viel ausmachen.

Es geht darum, ihnen das Ankommen so einfach wie möglich zu machen, damit sie sich auf die Arbeit konzentrieren können und nicht noch zusätzlich mit Alltagsherausforderungen kämpfen müssen.


Langfristige Perspektiven und Mitarbeiterbindung

Reporter: Das klingt nach einem sehr engagierten Ansatz. Wie sieht es mit der langfristigen Perspektive aus? Gibt es Mitarbeitende, die schon sehr lange bei Ihnen sind? Und welche Rolle spielt die Mitarbeiterbindung in einem Umfeld, in dem viele Arbeitskräfte mobil sind?

Markus Schmid: Langfristigkeit ist für mich essenziell, gerade im Handwerk. Ein eingespieltes Team ist Gold wert. Und ja, ich habe das grosse Glück, dass viele meiner ausländischen Mitarbeitenden schon seit vielen Jahren bei mir sind. Wir haben, wie erwähnt, Janusz, der über 10 Jahre hier ist. Oder unseren portugiesischen Vorarbeiter, der seit 12 Jahren bei uns ist. Er ist eine meiner wichtigsten Stützen. Rund 40% meiner ausländischen Belegschaft ist seit über fünf Jahren bei mir, das ist in dieser Branche, gerade bei mobilen Arbeitskräften, eine beachtliche Zahl, finde ich.

Wie ich sie binde? Ich glaube, es ist eine Mischung aus fairem Lohn, einem guten Arbeitsklima und dem Gefühl, geschätzt zu werden. Ich achte darauf, dass die Leute gerecht entlöhnt werden und pünktlich ihren Lohn erhalten. Das ist das A und O. Dann ist es wichtig, dass sie sich entwickeln können. Wenn jemand Potenzial zeigt, biete ich Weiterbildungen an, zum Beispiel zum Vorarbeiter oder Gruppenleiter. Ein polnischer Mitarbeiter, der als einfacher Bauarbeiter angefangen hat, leitet heute eine unserer wichtigsten Teams. Das motiviert ungemein.

Ich versuche auch, eine gewisse Planungssicherheit zu geben. Wenn die Auftragslage gut ist, spreche ich das offen an und sage ihnen, dass wir sie langfristig brauchen. Das gibt ihnen Sicherheit für ihre Familien. Und ganz wichtig ist der persönliche Kontakt. Ich bin nicht nur der Chef, sondern auch der Ansprechpartner für ihre Sorgen und Anliegen. Ob es um Probleme mit Ämtern geht, eine Krankheit in der Familie oder einfach nur ein offenes Ohr – ich versuche immer, für meine Leute da zu sein. Man muss sie als Menschen sehen, nicht nur als Arbeitskräfte. Das ist meine Philosophie. Loyalität bekommt man nur, wenn man auch Loyalität gibt.


Die Zukunft des Bauhandwerks und die Rolle der Migration

Reporter: Das ist eine sehr menschliche Herangehensweise. Zum Abschluss: Wenn Sie in die Zukunft blicken, speziell im Schweizer Bauhandwerk, welche Rolle wird die Migration Ihrer Meinung nach weiterhin spielen? Und welche Botschaft möchten Sie vielleicht an junge Leute senden, die überlegen, in die Schweiz zum Arbeiten zu kommen?

Markus Schmid: Das Schweizer Bauhandwerk wird ohne Migration nicht mehr auskommen. Das ist meine feste Überzeugung. Der Fachkräftemangel ist real und wird sich in den nächsten Jahren eher noch verschärfen, da viele ältere Schweizer Handwerker in Rente gehen. Wir brauchen diese Arbeitskräfte, um die Infrastruktur und die Bauten in der Schweiz instand zu halten und neue Projekte zu realisieren. Es ist einfach so.

An junge Leute, die überlegen, in die Schweiz zu kommen, würde ich sagen: Seid mutig, seid fleissig, und seid bereit zu lernen! Die Schweiz bietet grossartige Chancen, wenn man bereit ist, hart zu arbeiten und sich anzupassen. Lernt Deutsch – das ist das Wichtigste überhaupt. Seid offen für unsere Kultur und unsere Arbeitsweise. Seid pünktlich, zuverlässig und qualitätsbewusst. Wenn ihr diese Eigenschaften mitbringt, dann werdet ihr hier Erfolg haben.

Die Schweiz ist ein wunderschönes Land mit vielen Möglichkeiten. Aber man muss sich auch anstrengen und sich integrieren wollen. Es ist keine Einbahnstrasse. Aber wer diesen Weg geht, der findet hier nicht nur einen guten Job, sondern oft auch eine neue Heimat und eine stabile Zukunft. Mein Team ist der beste Beweis dafür. Ich bin stolz auf meine internationalen Teams – sie sind das Rückgrat meiner Firma.


Reporter: Herr Schmid, das war ein unglaublich umfassendes und zutiefst menschliches Gespräch. Ihre Offenheit und Ihre Erfahrungen sind ein unschätzbarer Beitrag zu dieser wichtigen Debatte. Herzlichen Dank für Ihre Zeit und Ihre ehrlichen Antworten.

Markus Schmid: Sehr gerne geschehen. Es war mir eine Freude.

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Updated on August 18, 2025 at 3:36 pm
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